Pressestatement von Präsidenten Russlands Dmitrij Medwedew und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu den 11. deutsch-russischen Regierungskonsultationen, München, 16 Juli 2009
BK’IN MERKEL: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir heute den russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew zusammen mit seiner Regierungsmannschaft hier in Deutschland, vor allem aber auch in einem der schönsten Schlösser Deutschlands, begrüßen können, dass wir ihn zum dritten Mal als Präsidenten in Deutschland zu Gast haben und die Regierungskonsultationen zwischen Deutschland und Russland auch fortsetzen können.
Es waren heute sehr intensive Beratungen, sowohl in unseren bilateralen Gesprächen als auch in den Gesprächen der Minister. Es hat sich an der Zahl der unterschriebenen Vereinbarungen gezeigt, auf welch breiter und intensiver Basis unsere Kooperation beruht. Wir haben zum Beispiel schon einen gemeinsamen Erfolg feiern können, nämlich die Gründung einer Energieagentur. Das haben wir uns vor weniger als einem Jahr vorgenommen, und heute wurde die Unterschrift darunter gesetzt. Das heißt also, das sind nicht nur Worte, sondern denen folgen auch Taten.
Ich möchte von meiner Seite aus besonders die Zusammenarbeit im wissenschaftlichen Bereich hervorheben. Russland beteiligt sich an der Installation von XFEL, einer großen Forschungseinrichtung in Hamburg. Das wird die Zusammenarbeit nicht nur auf der wissenschaftlichen Ebene kräftigen, sondern auch auf der menschlichen Ebene. Es werden sich mehr Forscher treffen, und vieles wird in Gang kommen.
Wir haben heute ‑ das möchte ich ausdrücklich sagen ‑ ein sehr wichtiges Abkommen zur Warenkreditversicherung im bilateralen Handel mit einem Umfang von 500 Millionen Euro unterzeichnet. Das wird den Handel gerade jetzt, in Zeiten der Wirtschaftskrise, außerordentlich befördern und beflügeln.
Ich darf sagen, dass wir uns natürlich auch über eine Vielzahl außenpolitischer Themen ausgetauscht haben. Wir hatten auch schon letzte Woche in L’Aquila genügend Zeit, uns mit diesen Themen zu befassen. Diesbezüglich hat sich herausgebildet, dass Russland und Deutschland auch in der Vorbereitung internationaler Treffen sehr intensiv miteinander zusammenarbeiten, und ich glaube, wir sind hierbei auf einem sehr guten Weg.
Es ist so, dass parallel zu den deutsch-russischen Konsultationen auch der Petersburger Dialog stattfindet, zu dem wir gleich gehen werden, also zu der Begegnung der Zivilgesellschaften.
Natürlich hat heute auch die Ermordung der russischen Bürgerrechtlerin Natalja Estemirowa eine Rolle in unseren Gesprächen gespielt. Ich habe meiner Bestürzung über diesen Mord an dieser mutigen Frau, die auch Trägerin der Schuman-Medaille des Europäischen Parlaments ist, Ausdruck verliehen. Ich habe allerdings natürlich auch vernommen, dass der russische Präsident Dmitrij Medwedew deutlich gemacht hat, dass alles getan wird, um diesen Mord aufzuklären, weil dies ein nicht hinnehmbares Ereignis ist. Gerade wenn wir über eine intensivere Zusammenarbeit unserer Zivilgesellschaften sprechen, darf dieser Mord nicht unaufgeklärt bleiben. Ich glaube, dass die russische Seite alles daran setzen wird, die Täter dingfest zu machen und ihnen auch ihre gerechte Strafe zuteil werden zu lassen.
Wir haben natürlich auch über unsere wirtschaftliche Kooperation gesprochen. Die Krise bringt es mit sich, dass es eine Reihe von Chancen, aber natürlich auch von komplizierten Problemen gibt. Wir arbeiten in der Frage der Zukunft von Opel in Zusammenarbeit mit GM zusammen. Diesbezüglich gibt es noch etliche Fragen zu klären, aber das Konzept von Magna bietet ausgezeichnete Ansatzpunkte dafür, auf der einen Seite Opel eine Chance zu eröffnen und auf der anderen Seite auch eine strategische Kooperation mit Russland hinzubekommen. Deshalb setzen wir alles daran, die diesbezüglichen offenen Fragen in den nächsten Tagen noch zu lösen, und setzen auch darauf, dass der Investor Magna seinerseits seine Beiträge dazu leisten wird.
Die Vielzahl der außenpolitischen Themen möchte ich jetzt nicht nennen, sondern ich möchte abschließend noch einmal ein herzliches Dankeschön aussprechen. Russland und die Bundesrepublik Deutschland verbindet eine strategische Partnerschaft. Unsere Unterredungen finden im Geiste der freundschaftlichen Beziehungen statt. Dort, wo es unterschiedliche Meinungen gibt, können wir darüber reden, aber es gibt auch sehr viele Gemeinsamkeiten. Ich glaube, wir sind insgesamt auf einem sehr guten Weg, die Beziehungen zu intensivieren und sie zu dem zu machen, was im Rahmen der Beziehung der Bundesrepublik als der größten Volkswirtschaft innerhalb der Europäischen Union mit unserem EU-Nachbarn Russland auch notwendig ist. Wir wollen das. Wir haben ganz unterschiedliche Abhängigkeiten, die wir zu Win-Win-Situationen, wie man das heutzutage ja so schön nennt, machen können. Der Wille dazu ist da; das haben diese heutigen deutsch-russischen Regierungskonsultationen gezeigt. Noch einmal herzlich willkommen auf bayerischer Erde!
P MEDWEDEW: Sehr geehrte Vertreter der Massenmedien, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, ich möchte als Gast natürlich zunächst einmal der Bundeskanzlerin und den deutschen Kollegen für die Gastfreundschaft und diese hervorragende Atmosphäre in diesem fantastischen Schloss danken. Das ist in der Tat eine Atmosphäre, die eine sachliche Unterredung nicht stört, sondern ihr eher zuträglich ist. Wir sehen diese Musterbeispiele der Kultur, die vor Jahrhunderten erschaffen worden sind.
Heutzutage betreiben wir Kooperationen in unterschiedlichen Richtungen. Wir hatten eine ganze Reihe von sehr erfolgreichen Konsultationen. Wir haben in der Zeit, die seit der vorigen zehnten Runde in St. Petersburg vergangen ist, auch Bilanz gezogen und einige Dinge festgestellt. Eine unangenehme Sache ist, dass wir unter dem Einfluss der Krise stehen. Sie hat auch unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit beeinflusst. Der Handelsumsatz ist nicht gestiegen, sondern gesunken. Aber heute sind wir daran interessiert, dass unsere Handelsbeziehungen ausgebaut werden und neue Komponenten erhalten, die eben diese durch die Finanzkrise entstandenen Einbrüche kompensieren können.
Außerdem haben wir ein ganzes Paket von neuen interessanten Ideen und Aufgaben verabschiedet. Eine Reihe dieser Aufgaben ist gerade mit dieser Krise verbunden, weil man die Bemühungen neu verteilt und neue Probleme entstehen. Wir haben zum Beispiel das Thema Opel sehr lange besprochen. Dabei sind Magna und die Sberbank als Bieter mit im Spiel. Es gibt einige Dinge, die noch nicht gelöst worden sind, aber wir betrachten dieses Vorhaben mit Interesse und Optimismus. Wir werden versuchen, bei der Realisierung dieses Vorhabens voranzukommen.
Wir haben reelle Ergebnisse erzielt und große Vorhaben, die unsere größten Strukturen verbinden. Es entwickelt sich die Zusammenarbeit zwischen Rosatom und Siemens, zwischen der russischen Eisenbahn und der deutschen Eisenbahn sowie zwischen der russischen Flugzeugbaugesellschaft und EADS. Es gibt auch eine ganze Reihe von Großprojekten, deren Zeuge Sie heute bei der Unterzeichnung der entsprechenden Abkommen geworden sind.
Ich glaube, etwas wirklich Neues ist die Energieagentur. Das ist von der Organisation her in der Tat ein neuer Faktor, der im vorigen Jahr vorgeschlagen wurde. Wir haben das jetzt umgesetzt, und ich hoffe, das wird uns auch logistisch und bezüglich der Lieferungen von Asien nach Europa voranbringen.
Wir hoffen auch, dass wir zum Umbau des Flughafens beitragen werden. Wir haben einen Rahmen für unser Unternehmertum erschaffen. Ich habe vor kurzem in Berlin Vertreter der deutschen Unternehmen gesprochen, und wir sprachen darüber, wie wir unsere Kontakte voranbringen können, ihnen einen Anstoß geben und wie wir effiziente Finanzmechanismen ins Leben rufen können. Einige dieser Mechanismen wurden von der Vnesheconombank und, von deutscher Seite, von der KfW vorgeschlagen. Das betrifft die Finanzierung einer Reihe von Lieferungen in die Russische Föderation. Das ist wirklich ein gutes Beispiel der Kooperation.
Es gibt sehr gute Projekte im Bereich der Energiewirtschaft. Die müssen wir fortsetzen und fortführen. Dazu gehört natürlich „Nord Stream“. Das hat strategische Bedeutung, nicht nur für Russland und Deutschland, sondern für Europa insgesamt. Die erfolgreiche Umsetzung dieses Vorhabens wird dazu beitragen, dass die Energiesicherheit des ganzen Kontinents gestärkt werden wird.
Wir sprachen auch über Krisenthemen auf der internationalen Ebene. Dabei haben wir eine ähnliche Herangehensweise. Russland unterstützt das Konzept der nachhaltigen Entwicklung, das von der Bundesregierung eingebracht wurde. Ich glaube, es ist nicht an der Zeit, die Zusammenarbeit in diesem Bereich zu drosseln, weil manche denken, die Krise würde bald vorbei sein. Die Krise ist auf jeden Fall nicht vorbei. Andererseits werden wir Krisen dieser Art in Zukunft nicht abwenden können, wenn wir nicht einen normalen Rahmen für die Zusammenarbeit schaffen und nicht normale Regeln im Bereich der Weltwirtschaft ins Leben rufen können. Wir haben auch diese Fragen angesprochen. Das war die Fortsetzung von dem, was wir vor Kurzem in L’Aquila besprochen haben. Wir werden diesen Kontakt auch im Rahmen der bilateralen Beziehungen und zusammen mit den Vereinigten Staaten von Amerika fortsetzen.
Ich glaube, dass die größten europäischen Staaten wie Deutschland und die Russische Föderation ähnliche oder gleiche Positionen beziehen müssen. Es ist für uns außerordentlich wichtig, dass wir aus dieser Krise gestärkt, nicht geschwächt hervorgehen, dass wir die Werte schützen können, die wir alle haben, und dass wir dieses zweite Problem, mit dem unsere Staaten konfrontiert sind, nämlich das der Arbeitslosigkeit, lösen können.
Ich glaube, diese Konsultationen waren, wie immer, sehr inhaltsreich. Allein die Liste der Ressorts, die daran teilnehmen, zeugt davon und spricht für sich selbst. Es ist eine sehr intensive Kooperation. Alle Schlüsselstrukturen der Regierungen Russlands und Deutschlands sind in diese Zusammenarbeit einbezogen. Sie machen das regelmäßig. Das hilft, die schwierigsten Fragen zu lösen.
Aber die Welt hat nicht nur allein Probleme der Wirtschaft. Natürlich haben wir humanitäre Probleme und auch die günstigen Jubiläen angesprochen, zum Beispiel den Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs oder das Jubiläum der Wiedervereinigung Deutschlands. Es ist wichtig, dass wir diese Jubiläen auch gebührend begehen können.
Es gibt sehr gute Beispiele der Kooperation im Bereich der Kultur, zum Beispiel eine Geste der deutschen Seite, nämlich die Rückführung von sechs Schmuckstücken aus dem Petersburger Schloss. Das hat vielleicht keinen allzu großen Umfang, aber das ist ein sehr gutes Zeichen für die Beziehungen zwischen unseren Ländern, weil wir gemeinsam auch humanitäre Aufgaben aufgreifen und lösen können.
Ich möchte noch einmal meine Dankbarkeit gegenüber Bundeskanzlerin Merkel zum Ausdruck bringen und Sie darüber unterrichten, dass ich die Frau Bundeskanzlerin für die nächste Zeit ‑ bereits für diesen Sommer, für den August ‑ nach Russland eingeladen habe, um einen Besuch am Meer in Sotschi abzustatten und vielleicht einen Spaziergang in den Bergen zu machen, um die Verhandlungen fortzusetzen. Ich glaube, das ist sehr wichtig für die Beziehungen zwischen Russland und der Bundesrepublik Deutschland. – Ich danke Ihnen!
FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, vor wenigen Tagen ist das Pipeline-Projekt „Nabucco“ auf den Weg gebracht worden. Teilen Sie die Auffassung, dass dieses Projekt notwendig ist, um die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen in Europa zu verringern?
Daran anschließend habe ich die Frage, ob Sie befürchten, dass wir im nächsten Winter wieder Schwierigkeiten mit den Gaslieferungen aus Russland über die Ukraine erleben werden.
Ich habe auch eine Frage an den Präsidenten. Es gibt die Meinung, dass die Schuld an der Ermordung von Natalja Estemirowa der Präsident der tschetschenischen Republik trägt. Sind Sie der Auffassung, dass diese Untersuchung gerade in dieser Richtung geführt werden sollte?
BK’IN MERKEL: Zu meiner Frage möchte ich sagen, dass wir heute noch einmal besprochen haben, dass das Projekt „Nord Stream“ von allergrößter Bedeutung ist und dass sich Deutschland sowie natürlich auch die Russische Föderation dafür einsetzen, dass die notwendigen Genehmigungen erteilt werden. Wir halten dieses Projekt für strategisch wichtig und notwendig ‑ das haben wir immer wieder gesagt ‑, und jetzt ist es notwendig, auch die Umsetzung vorzunehmen.
Ich gehöre zu denjenigen, die bei den Pipeline-Projekten nicht immer in Gegensätzen denken. Ich denke, „Nabucco“ ist ein Projekt, „Nord Stream“ ist ein anderes. Wenn man sich die Energienotwendigkeiten für Europa in den nächsten Jahren und Jahrzehnten anschaut, dann gibt es, glaube ich, viele Möglichkeiten, den Handel zwischen der Russischen Föderation und den europäischen Ländern ‑ sprich Deutschland ‑ auszubauen. Aber man muss das nicht immer als einen Gegensatz zu anderen Projekten auffassen. Insofern wird innerhalb der Europäischen Union auch das Projekt „Nabucco“ verfolgt ‑ deutsche Unternehmen sind auch daran beteiligt ‑, und ich sehe hierin sozusagen eine Sicherung unserer Rohstoffbasis, aber kein politisches Gegeneinander.
Was die Beziehungen zu der Ukraine oder die Transitnotwendigkeiten in Bezug auf die Ukraine anbelangt, so sind die Steine noch nicht alle aus dem Wege geräumt. Wir werden hieran weiterarbeiten müssen. Es wird natürlich vor allen Dingen notwendig sein ‑ wir sprechen auch mit dem IWF darüber ‑, dass die Ukraine auf einen Weg kommt, auf dem sie ihre finanziellen Verpflichtungen auch erfüllen kann und auf dem, wenn ich das ganz vorsichtig sagen darf, auch die politische Handlungsfähigkeit in der Ukraine in absehbarer Zeit gestärkt wird.
P MEDWEDEW: Der Mord an unserer Menschenrechtlerin ist natürlich ein sehr trauriges Ereignis, dass natürlich eine eindeutige Einschätzung erhalten muss, vielleicht im Unterschied zu anderen Präzedenzfällen, die auch in der Russischen Föderation stattfanden. Für mich ist es offensichtlich, dass der Mord mit ihrer professionellen Tätigkeit verbunden ist. Diese professionellen Tätigkeit braucht jeder normale Staat. Sie hat sehr nützliche Dinge gemacht: Sie hat die Wahrheit gesprochen, sie hat offen und vielleicht manchmal sehr hart einige Prozesse eingeschätzt, die in unserem Land stattfinden. Darin liegt auch der Wert ihrer Tätigkeit.
Solche Art der Verbrechen dürfen nicht unbestraft bleiben. Dieses Verbrechen wird auf das Gründlichste untersucht. Ich hatte dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses bereits gestern entsprechende Anweisungen gegeben. Heute ist er bereits am Tatort und befasst sich persönlich damit. Diese Frage wird auch von der Staatsanwaltschaft kontrolliert. Ich bin überzeugt, dass die Mörder gefunden werden.
Was diese Versionen anbetrifft: Ich glaube, dass diejenigen, die diesen Mord, dieses Verbrechen begangen haben, eben damit gerechnet haben, dass das für die primitivsten und unannehmbarsten Machtversionen sprechen würde. Wenn Sie so möchten, ist das eine Provokation. Ich bin überzeugt, dass dieses Verbrechen untersucht wird, und die Leute, die es begangen haben, werden gemäß der russischen Gesetzgebung bestraft werden.
Noch ein paar Worte zu einem anderen Thema, das meine Kollegin angesprochen hat; ich meine die Energiethematik: Ich möchte sofort sagen, dass wir „Nord Stream“ natürlich auch als ein sehr wichtiges Projekt ansehen, und wir werden dieses Projekt unbedingt gemeinsam mit unseren deutschen Partnern und Partnern aus anderen Ländern umsetzen. Aber wir haben keinen Neid in Bezug auf „Nabucco“. Das darf sich weiterentwickeln. Wenn über das Projekt „Nabucco“ Gas kommen wird, dann braucht es jemand. Aber bis jetzt konnte mir noch keiner erklären, woher das Gas kommen soll, auch nicht nach der Unterzeichnung des Dokuments vor einigen Tagen. Deshalb treten wir dafür ein, dass die Energielieferungen sicher und diversifiziert sind. Aber diese Lieferungen sollten auf der Grundlage existierender Kontrakte erfolgen. Eigentlich alles, was für Europa gut ist, ist auch für uns gut. Wir sind ja auch Europäer!
FRAGE: Vor welchen neuen Herausforderungen und Aufgaben stehen unsere Länder seit dem Jahr, das seit den letzten Konsultationen vergangen ist? Gibt es Möglichkeiten für gewisse Durchbrüche? Die Diplomaten können zum Beispiel schon ohne Visum verkehren. Wird es eine solche Regelung auch für andere Bürger geben?
Ich möchte auch Ihre Meinung zu der schönen bayerischen Küche wissen, wo nichts ohne Bier auskommt.
P MEDWEDEW: Ich beginne mit dem, was im letzten Jahr stattgefunden hat. Das letzte Jahr war schwierig. Wir alle waren mit vielen Problemen konfrontiert. Aber das Wichtigste: Es ist uns gelungen, auf diese Herausforderungen Antworten zu finden. Noch nie in der letzten Zeit ‑ ich kann mich zumindest nicht daran erinnern ‑ oder, wie ich glaube, in der ganzen Nachkriegsperiode der Menschheit und Europas im Ganzen gab es eine so hohe Konsolidierung in Bezug auf die größte Gefahr des heutigen Tages, und zwar die der Krise. Im letzten Jahr haben wir das Niveau unserer Zusammenarbeit wesentlich angehoben, auch im Bereich der gegenseitigen Verständigung, Freundschaft und Partnerschaft.
Das Zweite: Die Welt wird in Bezug auf die Rüstung nicht sicherer, auch nicht im globalen Sinne. Heute sind wir mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. Es gibt Probleme, auf die wir gemeinsam einwirken sollten. Ich meine das Problem der Nichtverbreitung und das Auftreten neuer Spieler, die eigene Atomwaffen entwickeln. Wir befassen uns mit diesem Problem sowohl gemeinsam mit unseren amerikanischen Partnern als auch mit unseren europäischen Partnern, und wir möchten, dass wir in dieser Frage volles Einvernehmen haben. Heutzutage ist alles verständlich und präzise; das letzte G8-Treffen hat das noch einmal gezeigt. Gegenüber solchen Gefahren müssen wir gemeinsam auftreten.
Was die Verringerung von Atomwaffenpotenzialen anbetrifft, sollten wir auch diese Fragen gemeinsam angehen. Die Welt ‑ ungeachtet aller Probleme und Schwierigkeiten im Sinne der Konsolidierung aller Nationen ‑ hat sich nach vorne bewegt, und das ist wichtig. Wir hoffen, dass wir als Ergebnis dieser Konsolidierung wichtige Ergebnisse erzielen können.
Was die bayerische Küche angeht, möchte ich sagen, dass die bayerische Küche natürlich wunderbar ist. Sie ist sehr schmackhaft und sehr sättigend. Um den Geist auf ein hohes Niveau zu bringen: Man kann nur einmal in Bayern essen und Bier trinken, und dann kann man dem Essen für die nächste Zeit entsagen.
BK’IN MERKEL: Wir gehen ja gleich noch in das Spatenhaus!
Was die Frage der Durchbrüche in der letzten Zeit anbelangt, will ich auch von meiner Seite nur noch an die zwei Stichpunkte erinnern, die ich am Anfang genannt habe. Zum einen gab es eine sehr intensive Zusammenarbeit bei der Vorbereitung internationaler Konferenzen, sowohl der G8 als auch der G20. Das ist außerordentlich hilfreich und wichtig. Zum anderen haben wir in der ganzen Breite konkreter Abmachungen ein sehr intensives Verhältnis erreicht, was die Zusammenarbeit der Innenbehörden anbelangt, was die Zusammenarbeit im Bereich der Forschung anbelangt und was den Jungendaustausch anbelangt. So haben wir auch die Kraft, uns schwierigen Themen zu nähern. Es gibt sehr intensiv arbeitende Arbeitsgruppen, die sich mit der Frage der Beutekunst beschäftigen.
Ich finde also, wir haben diese Zusammenarbeit auf eine breite Basis gestellt, und die Minister sind auch alle sehr ehrgeizig in Bezug darauf, sich hier nicht nur in Wortblasen und Worthülsen zu ergehen, sondern wirklich konkrete Projekte auf den Weg zu bringen. Damit habe ich über die wirtschaftlichen Fragen noch gar nicht gesprochen, die Dmitrij Medwedew erwähnt hat, ob es die Bahn ist oder ob es das große Projekt des Flughafenausbaus ist, bei dem Fraport mithilft. Das sind strategische Entscheidungen, die auch ihre Fußabdrücke in der Geschichte der Zusammenarbeit hinterlassen werden. Insofern, glaube ich, sind wir dabei auf einem sehr guten Weg.
FRAGE: Herr Präsident, im vergangenen Jahr haben Sie in Berlin ein europäisches Sicherheitskonzept vorgelegt, das nicht sehr breit und in erster Linie von Fachfrauen und Fachmännern diskutiert wurde. Sind Sie mit der Geschwindigkeit, mit der sich hier im Westen damit auseinandergesetzt wird, zufrieden, oder ist Ihnen die zu langsam? Was sagen Sie zu der Kritik aus der NATO, dass das auch ein russischer Versuch sein könnte, Amerika auf Abstand zu halten?
Frau Bundeskanzlerin, zur Wirtschaft: Sie sagten, in Bezug auf Opel gebe es noch einige offene Fragen. In Ihrer Heimat, in Mecklenburg, wird sich speziell danach erkundigt, was aus den Wadan-Werften werden kann. Es gab Gerüchte bis hin zu russischen Beteiligungen. Ist da etwas dran? Haben Sie das besprochen?
Noch eine ganz kurze Anschlussfrage: Haben Sie den Präsidenten für den 9. November eingeladen, oder wird Herr Gorbatschow alleine kommen?
P MEDWEDEW: Zunächst einmal zur europäischen Sicherheit, zum Sicherheitsvertrag: Ich hatte keine Illusionen, als ich diesen neuen Vertrag für europäische Sicherheit formuliert habe. Ich dachte nicht, dass wir binnen eines Monats etwas unterzeichnen würden. Wenn ich so ein Idealist wäre, könnte ich nicht in diesem Amt arbeiten.
Was die Diskussionen an sich anbelangt: Die laufen. Ich danke meinen europäischen Partnern. Ich danke persönlich Frau Angela Merkel dafür, dass wir das in verschiedenen Formaten diskutieren. Wir haben damit übrigens gerade im August vergangenen Jahres begonnen und das dann während des Septembers und des Treffens in Berlin fortgeführt. Wir haben das in recht verschiedenen Formaten angesprochen. Was man bereits jetzt sagen kann: Die Idee an sich kann niemand ablehnen. Niemand sagt „Das brauchen wir nicht, das ist überflüssig“. Aber es gibt zwei Standpunkte. Der erste Standpunkt besagt, dass das vielleicht nicht schlimm wäre, aber das das heutzutage nicht angebracht wäre, da wir angeblich andere Strukturen haben. Wir stimmen diesem Standpunkt nicht zu, weil die europäische Sicherheit nicht in vollem Umfang gewährleistet wird. Es gibt dafür eine wesentliche Anzahl von Beispielen. Die jüngsten Beispiele, dramatische Beispiele, kamen aus dem vergangenen Jahr. Deshalb haben wir einen neuen Rahmen für die europäische Sicherheit vorgeschlagen, und die Diskussion zu diesem Thema wird fortgesetzt.
Derjenige, der hinter diesem Vorschlag irgendwelche Machenschaften der Russen sieht, irrt sich. Als ich diese Idee in Berlin im vergangenen Jahr formuliert habe, habe ich nämlich gesagt, dass das ein Vertrag sein müsste, an dem alle europäischen Strukturen beteiligt sind: die NATO, die Europäische Union, die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der Vertrag über kollektive Sicherheit und alle anderen Strukturen sowie natürlich die OSZE. Deswegen muss das nicht fragmentiert sein, sondern eine allgemeine Herangehensweise in Bezug auf die Sicherheit. Wenn wir das so sehen werden, werden wir auch Erfolg haben.
BK’IN MERKEL: Wir haben auch das Thema der Wadan-Werften angesprochen. Es ist so, dass es eine privatwirtschaftliche russische Beteiligung gibt, und wir haben das so auch miteinander besprochen, dass wir in den nächsten Tagen in Kontakt bleiben werden. Ob hierbei durch die Regierungen geholfen werden kann, muss aber im Faktischen aufgearbeitet werden, weil es diesbezüglich natürlich erst einmal privatwirtschaftliche Unternehmen gibt, die ihre Handlungen auch miteinander abstimmen müssen. Aber wenn es möglich sein sollte, hierbei eine Hilfestellung geben zu können, sind wir in einem guten Gespräch, und wir werden alles daran setzen, diese Werften, die ja von sehr guter Qualität sind und jetzt nur durch die Wirtschaftskrise in eine ausgesprochen schwierige Lage gekommen sind, auch zu unterstützen. Es gibt auch eine Möglichkeit einer deutsch-russischen Kooperation, aber ob dabei die Staaten helfen können, muss man in den nächsten Tagen noch herausfinden.
Was den 9. November anbelangt, so haben wir heute noch nicht ausführlich darüber gesprochen. Ich kann nur Folgendes sagen: Wir sind noch bei den Planungen. Entweder wird der 20. Jahrestag des Mauerfalls oder aber der 20. Jahrestag der deutschen Einheit groß gefeiert werden. Hierbei ist Russland ein Partner, und es gibt auch andere Partner. Auf jeden Fall wird nichts passieren, was an Russland vorbei geht; denn wir wissen um die Rolle Russlands auch im Zusammenhang mit der deutschen Einheit.
FRAGE: Ich habe eine Frage zu dem vorrangigen Vorhaben, zum Kauf von Opel durch die Sberbank und Magna. Die Frau Bundeskanzlerin hatte eine positive Einschätzung zu diesem Geschäft abgegeben. Sind Sie bereit, den Antrag des Konsortiums Magna und Sberbank zu unterstützen?
Zum zweiten Thema, „Nord Stream“: Haben Sie heute das Thema angesprochen, wie die Regierungen zweier Länder zusammenarbeiten können, um die Probleme mit den Drittländern zu überwinden, zum Beispiel mit Schweden, Norwegen und Finnland? Gibt es eine gemeinsame Linie zwischen den Regierungen Russlands und Deutschlands?
BK’IN MERKEL: Ich übernehme vielleicht den Part mit „Nord Stream“: Es geht natürlich bei jeder unserer Unterredungen um die gemeinsamen Aktivitäten gegenüber Ländern, die auch eine Genehmigung erteilen müssen. Wir sind in Bezug auf Finnland vorangekommen. Es ist jetzt noch zu klären, wie die schwedischen Genehmigungen erfolgen. Das wird hier sehr partnerschaftlich gemacht. Wenn wir die Vertreter der jeweiligen Regierungen treffen, dann sprechen wir mit ihnen darüber, aber dabei gibt es natürlich auch ganz normale Genehmigungsprozesse, in die Regierungen nur sehr bedingt eingreifen können. Aber wir machen gegenüber unseren Drittpartnern gemeinsam deutlich, dass das Projekt von beiden Ländern als ein wichtiges und strategisches Projekt eingeschätzt wird.
P MEDWEDEW: In der Tat: Was immer wir auch angesprochen haben, es gehört zu den Prioritäten. Wir würden uns ja nicht mit Kleinigkeiten beschäftigen. Auch das Vorhaben, das Sie angesprochen haben ‑ also Opel, bezüglich dessen die Sberbank und Magna Bieter sind ‑, sowie eine Reihe anderer Projekte standen im Mittelpunkt. Zu Opel haben wir unsere Kommentare bereits abgegeben.
Ich glaube, dass zu den vorrangigen Vorhaben auch die Kooperation im Bereich der Informationstechnologien gehören muss. Das ist sehr interessant für Russland, und ich glaube, das ist auch sehr interessant für Deutschland. Auch diese ganze „New Economy“ ist eigentlich eine Vorarbeit für die Zukunft. Es ist wichtig für unsere Seite, Vorarbeiten zu leisten.
Infrastrukturprojekte sind für Russland traditionell sehr wichtig, also Straßen, Firmenverkehrsstraßen, Eisenbahnen, Flugverbindungen und Flughäfen. All das ist jetzt übrigens auch Gegenstand unserer gemeinsamen Geschäfte.
Ein besonderes Anliegen ist natürlich „Nord Stream“. Das ist kein rein russisch-deutsches Unterfangen. Das ist ein Vorhaben, an dem alle Europäer interessiert sind. Dabei haben wir die gleiche Position wie unsere deutschen Freunde. Es gibt natürlich diejenigen, die das fördern, und diejenigen, die es anzweifeln. Das ist natürlich ein groß angelegtes Projekt. Es gibt manche Befürchtungen seitens bestimmter Staaten, dass sie ihr Einkommen verlieren, wenn neue Transportrouten geschaffen werden. Das sind bekannte Befürchtungen, und wir möchten sie nicht dramatisieren. Aber wir hoffen, dass die Staaten, die Zweifel haben, die Situation realistisch betrachten und auch entsprechende Kommentare abgeben.
Es gibt übrigens Bewegung nach vorne. Ich möchte der Regierung von Finnland dafür danken, dass die Prüfung schon die erste Etappe durchlaufen hat und dass man schon ein Gutachten beschlossen hat. Das ist eigentlich ein günstiges Dokument, und ich glaube, dass dieses Beispiel auch für andere Länder ermutigend wirken wird. Was die Position Schwedens angeht, kennen wir diese Position. Wir respektieren sie. Aber andererseits sind wir auch der Meinung, dass es vielleicht zusätzlicher Erläuterungen bedarf. Da Schweden gerade den Vorsitz innerhalb der EU erhalten hat, hat Schweden eine gewaltige Chance, einen wirklich gewichtigen Beitrag zur Energiesicherheit Europas zu leisten. Wir hoffen, dass Schweden auch so verfahren wird.
20.07.2009