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27 Januar / 2009

Ansprache S.E. des Vorsitzenden der Regierung der Russischen Föderation Herrn Wladimir W. Putin beim Semper Opernball in Dresden

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Stanislaw Tillich

Liebe Gäste der Semperoper!

 

Es ist mir eine Freude, alle, die sich in diesen großartigen Räumlichkeiten der Sächsischen Staatsoper und auf dem Theaterplatz versammelt haben, begrüßen zu können.

Mein aufrichtiger Dank gilt der Regierung des Freistaates Sachsen und dem Operndirektor Hans-Joachim Frey für die Einladung zum Dresdener Opernball und die Auszeichnung mit „Sächsischem Dankesorden“. Den darauf abgebildeten Heiligen Georg empfinde ich als ein Symbol, welches unsere Völker eint.

Ich fühle mich geschmeichelt, dass heute dieser Orden ebenfalls an den besten deutschen Sportler des Jahres 2008 Matthias Steiner, Olympiasieger im Gewichtheben, und einen so beliebten Schauspieler wie Joachim Fuchsberger verliehen wird. Früher wurden mit dem „Dankesorden“ solche prominente Politiker wie Hans-Dietrich Genscher und Lothar de Maiziere, „Kaiser Franz“ – die Fußballlegende Franz Beckenbauer – und andere herausragende Persönlichkeiten ausgezeichnet, so dass ich mich fürwahr in guter Gesellschaft befinde. Noch einmal, vielen Dank.

Ich sage Ihnen ganz offen: ich bin nach Dresden mit besonderen Gefühlen gekommen. Dies ist sicherlich eines der wichtigsten Zentren europäischer Kultur, eine Stadt mit einer ruhmreichen Geschichte und einem eigentümlichen Charme.

Die Semperoper ist für ihre Tradition berühmt, die man mit Bach, von Weber, Schumann, Wagner, aber auch mit solchen russischen Komponisten, wie Glinka, Tschaikowskij, Rachmaninow, Schostakowitsch, verbindet. Apropos, bereits Anfang des 18. Jahrhunderts waren es die Dresdener Musiker, und zwar die Gebrüder Hübner, welche in Sankt Petersburg bei der Gründung des „Orchestre Imperial“ mitgewirkt hatten. Die heutige Gala in der Semperoper ist ein wahres Fest der Kunst. Unter den Bedingungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise haben wir alle harte Prüfungen zu bestehen. Große Musik bleibt jedoch über Defaults und Inflation erhaben. Sie ist wahrhaft ein Universalwert für alle Zeiten. Ich bin überzeugt, dass die klassische Musik, welche von Schaffensdrang und Lebensfreude durchdrungen ist, unseren Geist stärken und uns helfen wird, Schwierigkeiten zu meistern.

Darüber hinaus sind es die Werke von Tschaikowskij und Glinka, von Bach und Beethoven, die uns alle — Russen und Deutsche gleichermaßen – daran erinnern, dass wir in einem Haus leben, dieselben Werte teilen, in gemeinsamer kultureller Tradition erzogen sind. Russland und Deutschland, Russland und Europa sind fest durch Geschichte und Zukunft verbunden und teilen ein gemeinsames Schicksal.

Russland und Europa waren seit jeher Bestandteil eines einheitlichen zivilisatorischen Raumes, der christlichen Welt, beseelt mit der gleichen Geisteshaltung und Toleranz gegenüber anderen Zivilisationen, geprägt durch gemeinsame moralische Kriterien und Sittlichkeit.

Der Einfluss Europas auf Russland ist nicht zu bezweifeln. Genauso unbestritten ist die Rolle, welche unser Land Jahrhunderte lang für Europäer durch seine Kultur, Kunst, Literatur und wissenschaftliche Erkenntnisse spielte.

In diesem Zusammenhang wäre es wohl angebracht, in Erinnerung zu rufen, wie der große deutsche Schriftsteller Thomas Mann davon sprach, dass seine geistige Welt vieles dem russischen Gedankengut und der russischen Seele zu verdanken hat. Fjodor Dostojewski meinte wiederum, dass „wir, Russen, doppelt beheimatet sind – in unserer Rus und in Europa“.

Diese Worte haben einen besonderen Klang hier in Dresden – im Herzen Europas, welches in seiner Geschichte Blütezeiten, ja Zeiten der Größe, aber auch bitterste Tragödien erlebt hat. Viele wissen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg das Gebäude der Semperoper genauso wie andere architektonische Perlen mit Hilfe von unseren Ingenieuren und Baufachleuten wiedererrichtet worden sind.

Ebenfalls nicht ohne Beteiligung unseres Landes wurde das Denkmal dem bekanntesten der sächsischen Könige – August dem Starken, der mit Peter dem Großen befreundet war – restauriert. Peter reiste mehrmals ins Kurfürstentum Sachsen und pflegte bei seinen Besuchen in der Bergakademie Freiberg zu sagen, dass er als Schüler zum Studium kommt. Übrigens wurde das „gelbe Metall“ aus Moskau für die glanzvolle Wiederaufstellung des Goldenen Reiters aufgrund eines speziell für diesen Zweck abgeschlossenen Regierungsabkommens bereitgestellt.

Die Geschichte mit all Ihren Turbulenzen hat eine tragfähige Grundlage für weitere russisch-deutschen Zusammenarbeit gebildet. Die Potentiale unserer Länder sind in ihren Dimensionen überwältigend. Davon konnte ich mich gerade heute ein weiteres Mal überzeugen, als ich die Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ in Berlin besuchte. Und eben das war vor einigen Stunden Gegenstand meines Gesprächs mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel, als wir vereinbarten, entschiedener auf dem Wege der beiderseitig vorteilhaften Partnerschaft voranzuschreiten.

Im noch jungen Jahr 2009 begehen wir den 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges, den 60. Jahrestag der  Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik und den 20. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands. Das sind nicht nur Wendepunkte in der Vergangenheit Europas und der ganzen Menschheit, sondern auch Meilensteine der russischen und der deutschen Geschichte. Unser Land stand an den Anfängen der Wiederherstellung der deutschen Einheit, und leistete – vor dem Begriff will ich mich nicht scheuen – den entscheidenden Beitrag zur europäischen Einigung. Parallel dazu hat Russland für sich selbst die strategische Wahl zugunsten der Entfaltung der Demokratie, der marktwirtschaftlichen Reformen und der Rechtsstaatlichkeit getroffen.

Noch einmal: im 20. Jahrhundert haben wir leidvolle Erfahrungen des verheerendsten aller Kriege und die Spaltung des Kontinents durchgemacht. Jetzt sind wir in der Pflicht, uns wiederum auf gemeinsame geistige und kulturelle Werte und auf alles, was uns wirklich vereint, besinnend, unseren tatkräftigen Beitrag zur Gestaltung der Beziehungen der Freundschaft und einer verlässlichen Zusammenarbeit zu leisten.

Das sind die Überlegungen, die mir beim Besuch des altehrwürdigen Sachsens in den Sinn gekommen sind. Ich ergreife diese Gelegenheit sehr gern, um Ihnen, werte Freunde, von ganzem Herzen Erfolg, Wohlergehen und Gluck im beginnenden Jahr 2009 zu wünschen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

27.01.2009